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Zusammenfassung - Abwägung von Netzausbau und Stromspeichern | [1] Abwägung zwischen Netzausbau und Speicherausbau | [2] Vollständige Energiewende ohne Stromspeicher nicht möglich | [3] Platzierung von Speichern mit Rücksicht auf Solar- u. Windangebot | [4] Können Stromspeicher internationale Fernübertragungsleitungen überflüssig machen? | [5] Unterschiedliche Speichertypen und ihre besondere Eignung | [6] Ausbau der "Sammelnetze" und der nationalen "Fortleitungsnetze" | [7] Über die Rolle der Bioenergien im zukünftigen Energiemix
Diese Seite wurde mit freundlicher Genehmigung des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V. (SFV) erstellt.
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01.12.2010, Susanne Jung:
Vor wenigen Jahren noch prophezeiten verschiedene Akteure der Erneuerbaren-Energien-Branche, dass vor der krisengeschüttelten Landwirtschaft eine gewaltige neue Erwerbsquelle läge: Der großflächige Anbau nachwachsender Rohstoffe würde neue Möglichkeiten jenseits der Nahrungsmittelproduktion eröffnen. Die Zukunftsoption hieße „Vom Landwirt zum Energiewirt“.
Im gleichen Maße wie die Prognosen zum angeblich riesigen Potential der Bioenergien nahmen aber auch die Stimmen der Skeptiker zu, die über die zunehmende Zerstörung von Ökosystemen und die klimapolitische Fragwürdigkeit der flächengebundenen Bioenergieproduktion warnten. Bis heute vergeht fast kein Tag, an dem in der Presse nicht über die ökologischen Fehlentwicklungen der Bioenergieproduktion wie z.B. die Vernichtung von Regenwäldern, um Ölpalmen anzubauen, zunehmende Monokulturen und problematische Strukturveränderungen in der Grünlandbewirtschaftung berichtet wird.
Unumstritten ist deshalb heute schon die Aussage, dass Bioenergien nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Sofern keine Bioreststoffe verwendet werden, steht die Produktion von Bioenergien in direkter Flächenkonkurrenz zum Nahrungs- und Futtermittelanbau, dem Anbau nachwachsender Industrierohstoffe sowie dem Erhalt der Wälder als CO2-Sammler und Kohlenstoffspeicher.
Dieser Aussage widerspricht auch nicht die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.(FNR), Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Allerdings geht man dort in konsequenter Weise davon aus, dass der Flächenanteil des Energiepflanzenanbaus immer noch steigerungsfähig sei. Auf der Internetseite http://www.unendlich-viel-energie.de liest man hierzu Folgendes:
„Bis zum Jahr 2020 kann die Anbaufläche für Energiepflanzen von im Jahr 2008 von 1,6 Mio. Hektar auf ca. 3,7 Mio. Hektar mehr als verdoppelt werden. Dann würde die Bioenergie 21,9 Prozent der heutigen landwirtschaftlich genutzten Flächen belegen, ohne dabei die Nahrungsmittelproduktion einzuschränken.“
Auf der gleichen Internetseite prognostiziert FNR gar, dass die „... Ausweitung der für Bioenergie genutzten Flächen bis auf 7,3 Mio. ha im Zeithorizont 2020/2030 möglich.“ sei und bezieht sich dabei auf Potentialberechnungen „verschiedener Forschungsinstitute“.
Doch können wir tatsächlich davon ausgehen, dass uns immer mehr Flächen für die Produktion von Energiepflanzen zur Verfügung stehen?
In diesem Artikel sollen die Möglichkeiten der Land- und Forstwirtschaft zur Bioenergieproduktion diskutiert werden. Dabei geht es nicht um eine genaue Quantifizierung des Flächen- und Energiepotentials, sondern vielmehr um eine Zusammenstellung wichtiger Argumente, um die begrenzten Möglichkeiten der Bioenergien aus sozialer, klimapolitischer und ökologischer Sicht neu zu bewerten.
Mitte des letzten Jahrhunderts zeichnete sich global eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ab. Vor allem in den Industrieländern stieg der Fleischkonsum so stark an, dass zum heutigen Zeitpunkt etwa ein Drittel der weltweiten Getreideernten allein für die Fütterung von Nutztieren verbraucht wird. Die Folgen dieser langfristigen Entwicklung sind nicht nur aus ökologischen sondern vor allem aus sozialen Gründen dramatisch. Die Produktion pflanzlicher Grundnahrungsmittel zur Versorgung der ständig steigenden Weltbevölkerung wurde durch den Futtermittelanbau immer mehr verdrängt.
Bereits Mitte des nächsten Jahres werden 7 Milliarden Menschen auf unseren Planeten leben; nur etwa die Hälfte davon auf dem Land - der Rest in Städten mit einem zunehmendem Bedarf an Energie und Mobiltät. Und die Zahl der Hungernden steigt! Im Jahr 2010 waren nach Aussage der Welternährungsorganisation (FAO) 925 Millionen Menschen, überwiegend durch chronische Hungersnöte, betroffen.
Und als würde man nicht schon mit der beschriebenen Strukturkrise der Landwirtschaft schwerwiegende Probleme bewältigen müssen, belasten Politiker und Wissenschaftler die Landwirtschaft nun noch mit der Verantwortung für die Produktion nachwachsender Rohstoffe zur Deckung des Treibstoffbedarfs.
Immer lauter warnen Welternährungs- und Umweltschutzorganisationen vor einer Verschärfung der Ernährungsproblematik durch die stetig steigende Produktion von Biokraftstoffen. Der wirtschaftliche Druck zur Produktion von Agrotreibstoffen für die weltweite Versorgung führt zu Veränderungen der Agrarstrukturen - auch in den ärmsten Ländern dieser Erde. Hier einige Beispiele:
2008 warnte auch die FAO erstmals, dass die Biotreibstoffproduktion zu steigenden Nahrungsmittelpreisen und mehr Hunger führen würde. (Quelle:http://www.guardian.co.uk/environment/2008/feb/26/food.unitednations)
Sicher ist die Lösung des Problems Welthunger sehr komplex und ein Patentrezept gibt es nicht. Je nach Region müssen die dortigen sozialen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und geographischen Bedingungen berücksichtigt werden.
Auch könnte man argumentieren, dass in Deutschland weder chronischer Hunger noch eine Verknappung von Lebensmitteln vorliegt. Im Gegenteil - als eine von vielen Industrienationen verfügt Deutschland noch immer über ertragsreichen Ackerboden, auf dem genügend Ackerfrüchte für die Ernährung unserer Bevölkerung wachsen.
Doch es wäre naiv zu glauben, dass die globale Hungerproblematik nicht auch mit der Bedürfnisbefriedigung in Deutschland und Europa zusammenhinge. Die Globalisierung ist das Allheilmittel für wachsende Bedürfnisse, und politische oder private Entscheidungen forcieren die zunehmende Ausbeutung bestimmter Regionen. Und schon lange kommt man in Europa nicht mehr ohne Palmöl, Zuckerrohr, Mais und Co aus, um die chemische Industrie oder Bioenergieproduktion mit Grundstoffen zu beliefern.
Aus diesem Blickwinkel sollte es Gebot der Stunde sein, die Notwendigkeit der Produktion von Agrotreibstoffen in- und außerhalb unserer Ländergrenzen kritisch zu überprüfen.
Die Landwirtschaft mit ihrer direkten Abhängigkeit vom Wetter ist ein vom Klimawandel stark betroffener Wirtschaftszweig. Erfolg oder Misserfolg, Ertragszuwachs oder Missernten sind von vor allem von Temperatur, Niederschlagsmenge und Windstärke abhängig.
Das BMU beschreibt in „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ die auf Deutschland zukommenden klimabedingten Änderungen wie folgt:
„Abhängig von der globalen Entwicklung der anthropogenen Emissionen treibhauswirksamer Gase ist von einer Erwärmung in Deutschland im Zeitraum 2021-2050 um 0,5 bis 1,5° C und im Zeitraum 2071-2100 um 1,5 bis 3,5° C auszugehen. Die Erwärmung wird besonders in den Wintermonaten zu spüren sein. Bei den Niederschlägen ist eine Zunahme im Winter um im Schnitt bis 40 % möglich, in einigen Gebieten der Mittelgebirgsregionen der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen sowie der nordöstlichen Landesteile Bayerns sogar um bis zu 70 %. Die Sommerniederschläge könnten bundesweit um bis zu 40 % abnehmen, wobei der Südwesten Deutschlands erneut besonders stark betroffen sein könnte. Bei der Analyse der Klimafolgen sind neben den zu erwartenden Auswirkungen dieser sich in den Mittelwerten abzeichnenden allmählichen Veränderungen auch die Folgen voraussichtlich häufiger auftretender und stärkerer Extremereignisse sowie die Folgen einer zunehmenden Klimavariabilität zu berücksichtigen.“
Nun können schleichende klimatische Veränderungen möglicherweise durch neue Anbaustrukturen, neue Sorten und Bewässerungsstrategien aufgefangen werden. Schwieriger bis unmöglich ist es jedoch, die Landwirtschaft auf zunehmende Witterungsextreme wie Stürme, Starkniederschläge, Überschwemmungen und länger andauernde Trockenphasen einzustellen.
Deshalb müssen wir schlussendlich darauf vorbereitet sein, in den nächsten Jahrzehnten territorial unsichere bzw. sinkende Erträge durch die Bereitstellung von mehr Anbaufläche auszugleichen.
Auf Grund dieser Argumentation sollte man ernsthaft die Frage stellen, ob es überhaupt verantwortungsbewusst ist, mittel- und langfristig Flächen für die Produktion von Energiepflanzen einzuplanen und dadurch in eine zunehmende Flächenkonkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelerzeugung zu treten.
Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Deutschen Bundestages (Quelle:http://www.nachhaltigkeit.info/artikel/13_bt_ek_mensch_umwelt_664.htm) hat unter anderem folgende wesentliche Regeln aufgezeigt, die auch auf die landwirtschaftliche Produktion übertragen werden können:
1) Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll deren Regenerationsrate nicht überschreiten. Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit.
2) Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind.
3) Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muss im ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen.
4) Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden.
Wendet man also diese Kriterien auf die heutige, zumeist intensive Bewirtschaftung unserer land- und forstwirtschaftlichen Flächen an, so treten beispielhaft folgende Problemsituationen zu Tage:
Durch die Änderung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden kann eine klimaverträgliche und ökologisch nachhaltige Pflanzenproduktion auf den Weg gebracht werden.
Nach einer Abschätzung des World Resources Institute (WRI) stellt die Landwirtschaft einen Anteil von 13,5 Prozent der weltweiten Emissionen der Treibhausgase (Quelle:http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/053/1605346.pdf). Diese Emissionen können nicht nur durch eine nachhaltige Pflanzen- und Tierproduktion reduziert werden. Ökologisch nachhaltige Anbau- und Nutzungsstrukturen können zusätzlich auch zur mittel- bis langfristigen Bindung des in der Atmosphäre bedrohlich steigenden Kohlendioxids beitragen.
Im Folgenden werden ausgewählte Effekte des Ökolandbaus beschrieben:
Der Energiebedarf für die Herstellung, Lagerung und den Transport von Mineraldüngern ist enorm. Vor allem die Produktion des mineralischen Stickstoffdüngers mit Hilfe der Haber-Bosch-Synthese ist einer der energieintensivsten chemischen Produktionsprozesse. Insgesamt müssen für die Verwendung vom einem Kilogramm Stickstoff 46,1 MJ (ca. 13 kWh) aufgewandt werden. Dies hört sich zunächst nicht viel an, aber rechnen wir an einem Beispiel überschlagsweise weiter:
Im konventionellen Anbau kann man auf einer Fläche von einem Hektar (= 10.000 m²) ca. 1500 Liter Rapsöl ernten. Die Rapsfläche wird durchschnittlich mit 200 kg Stickstoff gedüngt.
Energiebedarf für Herstellung, Lagerung, Transport und Ausbringung des N-Düngers: ca. 2,6 MWh
Energiegehalt von 1500 l Rapsöl: ca. 14,4 MWh.
(vereinfachte Betrachtung ohne energetische Bewertung des Rapskuchens)
Ergebnis: Ca. 1/6 des erzeugten Rapsöl-Energieertrags (im konventionellen Anbau) wird rechnerisch allein schon für die mineralische Stickstoff-Düngung benötigt.
Die Energiebilanz von Rapsöl verschlechtert sich darüber hinaus, wenn man den Treibstoffbedarf bei Saat, Pflege und Ernte des Raps, die Ausbringung weiterer Pflanzennährstoffe und Pestizide, die Transportaufwendungen, den Energiebedarf der Ölmühle und die Verluste bei der Umwandlung im Verbrennungsmotor betrachtet. Auf viele dieser Energieaufwendungen kann man auch im ökologischen Anbau nicht verzichten. Dies ist auch nicht Zweck dieser Betrachtung. Es sollte an diesem Beispiel nur dargestellt werden, welche Energieeinsparung allein durch den Verzicht von chemischen Düngern erreicht werden könnte.
Die Entstehung eines weiteren Klimagases steht unter anderem in engem Zusammenhang mit einer intensiven Stickstoffdüngung und einer zunehmenden Verdichtung unserer Böden durch zu vieles Befahren mit Landmaschinen:
Es handelt sich um Lachgas (N2O). Sein Beitrag zum anthropogenen Treibhauseffekt beträgt heute etwa 5 %. Der zunehmende Ausstoß von Lachgas wird auch auf den Einsatz von Mineraldüngern zurückgeführt. Denn wenn im Boden Sauerstoffmangel herrscht, werden die Stickstoffverbindungen des Düngers in Lachgas umgewandelt und entweicht in die Atmosphäre.
Fazit: Die Vermeidung von chemischen Düngergaben reduziert den Energiebedarf und senkt schädliche Treibhausgas-Emissionen.
Ökologischer (extensiver) Landbau | Konventioneller (intensiver) Landbau |
Weniger Landtechnik: geringerer Treibstoffeinsatz | Viel Landtechnik: hoher Treibstoffbedarf |
Kein (oder reduzierter) chemisch-synthetischer Dünger- und Pestizideinsatz: geringer Energiebedarf | chemisch-synthetische Dünger- und Pestizideinsatz: hoher Energieaufwand bei Herstellung und Ausbringung, Gefahr der Lachgasentwicklung |
CO2-Gehalt des Bodens steigt: geringe Bodenbelastung, Ganzjahresbedeckung verhindert Austrocknung und Nährstoffauswaschung, Vermehrung der org. Substanz im Boden | CO2-Gehalt des Bodens nimmt ab: durch hohe Bodenbelastung, fehlende Ganzjahresbedeckung, Austrocknung, Nährstoffauswaschung, weniger org. Substanz im Boden |
Der Boden ist ein wesentlicher Kohlenstoffspeicher. Wo der Humusgehalt - also die Menge der im Boden festgehaltenen toten organischen Substanz - zunimmt, leistet der Boden als „Senke“ einen Beitrag zur Minderung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre. Wo hingegen Humus abgebaut wird, trägt er zur Zunahme des klimarelevanten Gases bei.
In der nachfolgenden Tabelle sehen Sie Vergleiche von verschiedenen Anbaumethoden im konventionellen und ökologischen Betrieben. Sie wurden in Bayern, der Schweiz und den USA durchgeführt. Das Ergebnis: Die Zunahme des Humusgehaltes und damit des Kohlenstoff-Anteils im Boden war in den landwirtschaftlichen Betrieben eindeutig nachweisbar, die ökologisch wirtschafteten und auf geringste Bodenbearbeitung umgestellt haben.
Anbausystem | C-Gewinn (+) / C-Verlust (-) in kg / Hektar / Jahr | Feldversuch |
Bio-Ackerbaubetriebe | + 402 | 18 Praxisbetriebe in Bayern, Mittelwert |
Konventionelle Ackerbaubetriebe | - 202 | 10 Praxisbetriebe in Bayern, Mittelwert |
Bio – mit Pflug | 0 | Versuch in der Schweiz, seit 2002 (Frick) |
Bio – mit reduzierter Bodenbearbeitung | + 879 | Versuch in der Schweiz, seit 2002 (Frick) |
Bio - pfluglos | + 1829 | SADP, USA, seit 1994 |
Quelle: Niggli, U. et al. 2009. Low Greenhouse Gas Agriculture. FAO. Rev. 2. 22 Seiten
Leider werden in Deutschland derzeit nur knapp 6 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche nach den Bestimmungen der EG-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau bewirtschaftet. Trotz des im Juni 2004 von der EU-Kommission vorgelegten „Europäischen Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel“ nehmen diese Flächen nicht signifikant zu. Die dort angestoßenen Maßnahmen wie z.B. eine intensive Aufklärung über den Ökolandbau, die Bündelung der Fördermaßnahmen im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums, die Verbesserung der Produktionsstandards und die Verstärkung der Forschungsanstrengungen reichen offensichtlich nicht aus, um die landwirtschaftliche Produktion grundlegend umzugestalten.
Eine Ausweiterung des Ökolandbaus führt auch dazu, dass für die gleiche Produktionsmenge an Nahrungs- und Futtermitteln mehr Flächen benötigt wird. Durch den Verzicht auf Düngemittel und chemische Schädlingsbekämpfung gehen die Erträge der Flächen um ca. 20 % zurück. Wenn man die Treibhausgase in der Landwirtschaft ernsthaft reduzieren und die Kohlenstoffsenken zunehmend nutzen möchte, muss man schlussendlich den mit der Energiepflanzenproduktion einhergehenden zunehmenden Ackerflächenbedarf kritisch diskutieren.
Jede Pflanze entzieht der Atmosphäre in ihrer Wachstums- phase CO2. Pflanzen spalten das CO2 der Luft, speichern den Kohlenstoff (C) in ihrer Biomasse und setzen Sauerstoff (O2) frei.
Bäume können den gebundenen Kohlenstoff über einen längeren Zeitraum speichern. Eine ausgewachsene 30 bis 40 m hohe Buche hat z.B. im Laufe ihrer Wachstumszeit der Luft ca. 10 Tonnen CO2 entzogen. (Quelle: PrimaKlima-weltweit- e.V.)
Wenn man das Holz energetisch nutzt (also verbrennt), wird das über viele Jahre im Baum gespeicherte CO2 in kürzester Zeit wieder an die Atmosphäre abgegeben und trägt zum Treibhauseffekt bei. Von einer Klimaneutralität könnte man nur dann sprechen, wenn das im Verbrennungsprozess ausgestoßene CO2 in der selben Menge und zusätzlich zu der ohnehin stattfindenen photosynthetischen Leistung der bereits existierenden Pflanzen wieder kurzfristig in Biomasse gebunden würde. Dies ist aber leider nicht der Fall.
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass eine deutliche Vergrößerung der globalen Waldfläche zu einer Entlastung bei der Treibhausgasproblematik führen könnte. Leider ist dies aber fernab jeder Realität: In den vergangenen beiden Jahrhunderten wurde mehr als die Hälfte der Wälder der Erde zerstört. Und Schuld an dieser Waldzerstörung ist vor allem der Mensch, der Wälder als Baustoff abholzt oder weil er die Fläche landwirtschaftlich nutzen will.
Auch in Europa sind beunruhigende Entwicklungen zu beobachten. Anfang November 2010 warnte das Institut für Europäische Umweltpolitik (IEEP) in der Studie „Indirekte Landnutzungsänderungen durch die zusätzliche Nachfrage nach Biomasse zur Erreichung der EU-Zielvorgaben nach Agrokraftstoffen bis 2020“ (Quellehttp://www.nabu.de/themen/landwirtschaft/ biomasse/13027.html) vor einer klimapolitischen Fehlentwicklung. Denn in den nationalen Aktionsplänen für Erneuerbare Energien aus 23 EU-Mitgliedsstaaten wurde festgeschrieben, den Anteil der Agrokraftstoffe am gesamten Treibstoffbedarf auf 9,5 % (davon 90 % aus Energiepflanzen) zu steigern. Zur Erreichung dieser Zielvorgaben - so IEEP - wäre ein zusätzlicher Flächenbedarf von bis zu 6,9 Mio Hektar notwendig. Dies erhöhe den Druck, Wälder, Weideland oder Moorflächen in Ackerland umzuwandeln. Dadurch würden bis zum Jahr 2020 zusätzliche Emissionen von 27 - 56 Mio Tonnen CO2 entstehen.
Der Druck auf unsere Wälder wird jedoch auch durch eine weitere beunruhigende Entwicklung angestoßen: Durch eine Vervielfachung der Kaminöfen und Pelletsheizungen zur Wärmeversorgung im privaten Hausbereich nahm der Holzbedarf erheblich zu. Ob dieser durch die Nutzung von Holz-Reststoffen (Restholz, Altholz) klimaökologisch nachhaltig abgedeckt werden kann, ist fraglich. Denn auch Waldrestholz und Schwachholz übernehmen im Ökosystem eine wichtige Funktion. Rinde, Äste, Laub- und Nadelmasse sind nährstoffreich und sollten möglichst nicht aus dem Wald entfernt werden.
Der energetischen Nutzung des Wirtschaftsgutes Wald sollte man aus Klimaschutzgründen überdacht werden. Die stoffliche Holznutzung trägt dazu bei, den Kohlenstoff weiterhin in gebundener Form zu erhalten.
Die letzten Meldungen der Internationalen Energieagentur (IEA) haben die Prognosen bestätigt: Der „Peakoil“ - der Punkt der höchsten Erdölfördermenge weltweit - ist bereits überschritten. Die Erdölproduktion wird ab jetzt von Jahr zu Jahr abnehmen und irgendwann ganz versiegen. Die Konsequenzen werden das Leben fast aller Menschen grundlegend verändern. Aber es geht hierbei um viel mehr als um die Verknappung von Treibstoffen. Unsere gesamte Lebensweise wird sich fundamental ändern, in einem Ausmaß, dass derzeit für die meisten nur schwer vorstellbar ist.
Viele unserer Waren des täglichen Bedarfs werden aus Erdöl hergestellt. Allein in Deutschland werden 15 % der Erdöleinfuhren für die chemische Produktion von Kunststoffen, Textilien, Schmierstoffen, Baustoffen, Pestiziden und Düngemitteln, Arzneimittel, Kosmetika und vieles mehr verwandt. (Quelle: „Daten und Fakten zur Rohstoffbasis der chemischen Industrie“) Je weniger Erdöl zur Verfügung steht, desto mehr müssen wir uns um Alternativen bemühen oder unsere Lebensart verändern.
Die Substitution von Erdölprodukten durch nachwachsende Rohstoffe wird in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle spielen. Rapsöl lässt sich zum Beispiel ebenso für die stoffliche Produktion von Maschinenölen, für Lacke und Farben, Lösungsmittel, Pflanzenschutzmittel sowie Rapsasphalt verwenden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine kleine Überschlagsrechnung durchführen. Zunächst vorab: Diese Rechnung geht von der Verallgemeinerung aus, dass man 1 Liter Erdöl durch 1 Liter Rapsöl für die stoffliche Produktion ersetzen könnte. Dies ist eine fiktive, theoretische Annahme, denn Erdöl ist ein umfangreicheres Stoffgemisch als Rapsöl. Und neben Raps können auch viele andere Pflanzen als nachwachsende Rohstoffe zur chemischen Produktion genutzt werden. Nun zum Gedankenexperiment: Es soll die Frage beantwortet werden, wieviel landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland mit Raps bestellt werden müsste, um den Erdölbedarf Deutschlands zur stofflichen Verwertung zu substituieren:
In Deutschland werden jährlich ca. 19 Milliarden Liter Erdöl (dies entspricht 15 % der gesamten Erdölbedarfs) stofflich verwertet.
Im konventionellen Anbau kann man ca. 150.000 Liter Rapsöl pro 1 km2 und Jahr erzeugen.
19.000.000.000 Liter / 150.000 Liter / km2
= ca. 126.000 km2
Ergebnis: Um den gesamten deutschen Erdölbedarf zur stofflichen Verwertung durch Rapsöl zu ersetzen, müsste man theoretisch eine landwirtschaftliche Fläche von 126.000 km2 zur Verfügung haben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland allerdings nur knappe 187.000 km2, die vorrangig für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion genutzt werden muss. Es ist utopisch, mehr als 2/3 Drittel der Fläche für die Produktion chemischer Güter zu verwenden.
Dass die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen eine zunehmende Bedeutung einnehmen wird, ist unumstritten. Auch hier gilt es allerdings, dass nur dann pflanzliche Rohstoffe für die Chemieindustrie angebaut werden können, wenn auf der verhandenen Fläche die Grundversorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln gewährleistet ist. So könnte es sein, dass in einigen Jahrzehnten unsere Bedürfnisse nach Chemieproduktion auf Basis nachwachsender Rohstoffe sogar reduziert und Recyclingverfahren ein immer größerer Stellenwert zugesprochen werden müssen.
Diese Überlegungen zeigen ebenso auf, dass wir mit dem knappen Gut „Fläche“ überlegt umgehen müssen. Dem Energiepflanzenanbau eine signifikante Rolle im zukünftigen Energiemix einzuräumen, scheint auch unter diesem Gesichtpunkt der Abdeckung zukünftiger Rohstoffe für die chemische Industrie zu kurzsichtig.
Für die Bioenergie-Produktion stehen uns eine Vielzahl von organischen Reststoffen zu Verfügung. Diese stammen aus der Landwirtschaft, der Abwasserreinigung, aus Gewerbe- und Industriebetrieben, und der Landschaftspflege. Hinzu kommen organische Siedlungsabfälle und Deponiegas.
Die energetische Verwertung all dieser Reststoffe kann einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Biogene Reststoffe werden als Festbrennstoffe angeboten oder dienen der Produktion von Biogas. Der Vorteil bei der Biogaserzeugung v.a. bei landwirtschaftlichen Rückständen ist, dass die Gärreste als Dünger wieder in den Nährstoffkreislauf gelangen.
In einer auf Basis verschiedener Studien durchgeführten Grobabschätzung des Bioenergie-Potentials für Deutschland wurde vom SFV im Jahr 2007 das Energiepotential der Bio-Reststoffe ermittelt.
Wir errechneten, dass ca. 3 Prozent des Gesamtenergiebedarfs von Deutschland durch die energetische Verwertung von Reststoffen zur Verfügung gestellt werden könnten.
Dabei legen wir aus ökologischer Sicht jedoch großen Wert darauf, Ernterückständen aus der Landwirtschaft und den größten Teil der Reststoffe aus der Biotop- und Landschaftspflege auf den Flächen zu belassen, um den Nährstoffaustrag und die Bodenerosion zu minimieren. Bei der Betrachtung des Gülleaufkommens bemühten wir uns, eine Minimierung der Tierbestände und eine zunehmende artgerechte Tierhaltung auf Stroh zu berücksichtigen.
Die hier im Einzelnen diskutierten Überlegungen sollen aufzeugen, dass den Bioenergien in einem zukünftigen Energiemix nur eine begrenzte Rolle eingeräumt werden kann.
1. Der unbedingte Vorrang der Nahrung- und Futtermittelproduktion weist den Energiepflanzenanbau in klare Schranken. Die direkte und heute schon in Teilen der Welt abzeichnende Konkurrenz zwischen der Nahrungsmittel-Grundabsicherung und der Produktion von Agrotreibstoffen macht deutlich, dass bei der Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien auch schwerwiegende Irrwege beschritten werden. Die klimabedingten Ertragsausfälle und dramatischen Zunahmen der Zahl der Hungernden weltweit zeigen, dass in der landwirtschaftlichen Produktion zukünftig wesentlichere Aufgaben - wie die Beseitigung von Strukturkrisen und der Ausgleich von Ernteausfällen - zu bewältigen sind.
2. Ein ökologisches Umdenken in der landwirtschaftlichen Produktion könnte dazu beitragen, den Ausstoß klimarelevanter Gase zu vermindern. Hier kann eine energieintensive und humuszehrende Landwirtschaft durch Energieeffizienz-Maßnahmen und Humusmehrung ihrer Klimaschutzverantwortung gerecht werden.
3. Holz sollte nur zur stofflichen Verwertung genutzt werden, da die mittel- bis langfristige Speicherung von CO2 in der Biomasse aus Klimaschutzgründen Vorrang hat.
4. Für den Ersatz von chemischen Erdölprodukten durch nachwachsende Rohstoffe werden zunehmend Anbauflächen benötigt.
5. Die energetische Nutzung von biogenen Reststoffen kann nur einen geringer Beitrag zur Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien leisten.
6. Landwirte können schlussendlich durch das Betreiben eigener Windanlagen zum Energiewirt werden. Unter den Windrädern wäre es ohne gravierenden Flächenverlust weiterhin möglich, Nahrungs- und Futtermittel zu produzieren.
Das Wissen über diese eingeschränkten Möglichkeiten der Bioenergien in einem zukünftigen Energiemix aus Erneuerbaren Energien ist wesentlich aber nicht dramatisch. Auch mit wenig Strom und Wärme aus Biomasse können wir die Energiewende schaffen. Die überragenden Potentiale der Wind- und Solarenergie sowie die zusätzlichen Möglichkeiten der Wasserkraft und Geothermie ergeben einen Energiemix, der unsere Bedürfnisse nach Strom, Wärme und Mobilität vollständig abdecken kann. Nutzen Sie unseren Internet-Energiewenderechner unter http://www.energiewenderechner.de. Dort kann man mit realitätsnahen Zahlen nachrechnen!
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) - Frère-Roger-Str. 8-10 - 52062 Aachen - Tel. (0241) 51 16 16 - Fax (0241) 53 57 86 zentrale@sfv.de
Zusammenfassung - Abwägung von Netzausbau und Stromspeichern | [1] Abwägung zwischen Netzausbau und Speicherausbau | [2] Vollständige Energiewende ohne Stromspeicher nicht möglich | [3] Platzierung von Speichern mit Rücksicht auf Solar- u. Windangebot | [4] Können Stromspeicher internationale Fernübertragungsleitungen überflüssig machen? | [5] Unterschiedliche Speichertypen und ihre besondere Eignung | [6] Ausbau der "Sammelnetze" und der nationalen "Fortleitungsnetze" | [7] Über die Rolle der Bioenergien im zukünftigen Energiemix
<link file:51613>Solarbrief 4/2010 [PDF] | <link file:59200> Editorial [PDF] | <link file:51825><link file:51825><link file:51825>Abwägung von Netzausbau und Stromspeichern [PDF]
Quelle: SFV-Artikel: Zusammenfassung - Abwägung von Netzausbau und Stromspeichern
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